Mattsetzen mit den Klassikern

 

Zum Saisonbeginn startet nach langer Sommerpause wieder in regelmäßigen Abständen die Rubrik „Wochenendaufgabe“, in der es um kuriose und ästhetische, zumindest aber interessante und bemerkenswerte Vorkommnisse aus der unerschöpflichen Schaffenswelt der 64 Felder gehen soll. Ob Studien, Kombinationen oder andere kreative Aufgaben – hier finden sich bestimmt für jeden ansprechende Herausforderungen.

 

Die Lösung des zu Beginn des Wochendes geposteten Problems erfolgt dann jeweils am Sonntag oder zu Beginn der nächsten Woche. Viel Vergnügen damit!

 

Nun zur aktuellen Aufgabe:

Mattsetzen spielt im modernen Schach gewiss eine eher untergeordnete Rolle. Kaum einer gibt sich bei bereits geklärten Materialverhältnissen auch noch der Qual hin, vom Gegenüber zur Strecke gebracht zu werden. Das tut man sich ja nicht freiwillig an, „spätestens einen Zug vorm Matt gibst du auf“, lautet eine häufig vermittelte Regel im Anfängerschach.

 

Vor einigen Jahrhunderten, zu Zeiten der großen Klassiker wie Anderssen, Philidor und Murphy, sah das ganz anders aus, hier galt es noch als Ehre, den Kontrahenten in den Genuss des Mattsetzens kommen zu lassen.

Hierzu lässt sich im Taktikbuch z.B. folgende hübsche Miniatur finden:

 

Hoffman – Petrov, Warschau 1844

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.c3 Sf6 5.d4 exd4 6.e5 Se4? 7.Ld5! Sxf2 8.Kxf2 dxc3+ 9.Kg3 cxb2 10.Lxb2 Se7 11.Sg5? Sxd5 12.Sxf7

 

12... 0-0! Sehr elegant, lässt einfach die Dame stehen und rochiert um den frechen Springer herum! Ob Schwarz hier bereits das Matt vor Augen hatte? Vermutlich schon, schließlich steuert alles unaufhaltsam darauf zu. 13.Sxd8 Nimmt die Herausforderung an. Nach 13.Dxd5 Txf7! droht unvermeidlich ...Dg5+ und ...d6+ mit Vernichtung. Nach dem Textzug dagegen hat Schwarz ein Matt in 13 Zügen! Findet der Leser dieses? Es ist nicht gar zu schwer, nur einmal gibt Schwarz kein Schach, sonst ist alles ziemlich forciert.

 

 

Manch einer wird fragen - warum gerade so eine lange Mattkombination als Aufgabe? Hat ja nix mit modernem Schach zu tun. Und ob!

Erst Anfang diesen Monats, bei der Württembergischen Meisterschaft im Kandidatenturnier in Lauffen, kam es zu folgender Begegnung, die man auch locker ins romantische 18. oder 19. Jahrhundert einordnen würde!

 

 

 

Nach einer höchstkreativen und spannenden Partie stand Schwarz vor der Möglichkeit, ein ähnliches Mattmanöver auszuführen. Die Partie lief wie folgt:

 

Meschke (2168) – Hornecker (2014), 27.08.2011

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.d3 h6 5.Lb3 Lc5 6.c3 d5 7.De2 0-0 8.Sbd2 Sh5 9.Sf1 dxe4 10.dxe4 Kh8 11.Sg5 Sf4 12.Lxf4 exf4 13.Sxf7+ Txf7 14.Lxf7 Se5 15.Td1 Dg5 16.Td5 f3 17.gxf3 Dc1+ 18.Td1 Df4 19.Td8+ Kh7 20.Lg8+ Kg6 21.Sd2  Lg4 22.Txa8 Sxf3+ 23. Sxf3 Lxf3 24.Tg1+ Kh5 25.Dc2 Lxf2+ 26.Kf1 Lb6 27.Lf7+ Dxf7 28.Db3 Lg2+ 29.Kxg2 Df2+ 30.Kh3

 

Hier willigte Schwarz ins Dauerschach ein mittels 30...Df3+ 31.Tg3 Df1+ 32.Tg2 Df3+ usw. Stattdessen hätte er ein Matt in 19! gehabt. Das zu finden ist freilich nicht trivial, eine Engine ist sicher hilfreich... Aber auch so ist die Aufgabe lösbar, es muss „nur“ der Bauer e4 weg, dann gibt es ein einfaches Mattbild. Dazu muss jedoch der weiße König wieder nach h3, das erledigen Dame und Läufer kongenial. Viel Spaß beim Lösen oder Nachspielen!