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In diesen seltsamen Corona-Zeiten das Wort „Fieber“ zu benutzen, ist eigentlich nicht so ganz passend. Doch im Rahmen unserer kleinen Serie „Locker im Lockdown“ sollte es erlaubt sein: Seit März hat es mich nämlich gepackt – das Schachfieber. Was sollte man denn anstellen an den elend langen Abenden, an denen man nicht ins Fußballtraining gehen oder den Tennis-Schläger schwingen durfte, nicht mit Freunden ein Bierchen zischen konnte – ja, nicht mal einfach nur lecker in einer Gaststätte speisen durfte?

Als ich damals, im März, ein wenig bei „YouTube“ rumsurfte, fiel mir ein Schachvideo von Weltmeister Magnus Carlsen auf. Und dann noch eines. Und dann ganz, ganz viele andere Schach-Videos. Das Spiel der Könige sog mich regelrecht in sich auf, wie ein Schwarzes Loch – eines mit weißen Feldern, versteht sich. Fortan wurde Schach zu meinem Lockdown-Auflockerer, und das in allen Facetten. Und ich kann allen, die irgendwann in ihrem Leben ein bisschen Freude für dieses unendlich spannende Spiel empfanden, nur empfehlen: Nutzt den aktuellen Lockdown zur Auffrischung des „Londoner Systems“, den nebligen November, um sich „Nimzowitsch- Indisch“ anzueignen!

Für Wiedereinsteiger ist „The Big Greek“ zu empfehlen. Der große Grieche heißt im wahren Leben Georgios Souleidis, hat den Rang des Internationalen Meisters und betreibt mit Eifer einen Schachkanal auf „YouTube“. Mit den „Goldenen Regeln“ zur Eröffnung, dem Mittelund Endspiel holt er eben all diejenigen ab, die irgendwann schon einmal am Schach geschnuppert haben, aber jetzt wieder ihr Basiswissen auffrischen wollen und ein wenig Orientierung benötigen. Cool sind seine Live-Videos am Wochenende, in denen er gegen Abonnenten seines Kanals spielt – und dazu auch mal lässig ein Gläschen Wein schlürft. Souleidis besitzt die Fähigkeit, Komplexes in einfachen Worten einleuchtend zu erklären. Und mit seinem prima Humor bringt der Grieche auch die nötige Lockerheit ins Spiel. Seine Zugriffszahlen sind seit dem ersten Lockdown fast schon exorbitant gestiegen.

Fluch und Segen Für Karlheinz Eisenbeiser, Vorsitzender des Schachclubs BG Buchen, ist Online-Schach Fluch und Segen zugleich. Er sagt: „Es ist schon eine Chance, vor allem, um junge Leute abzuholen. Aber es ist auch immer wieder der Geruch des Betrügens zu riechen.“ Einige Spieler sind „so blöde“, neben den Partien am virtuellen Brett einen zweiten Rechner mit einem starken Schachprogramm mitlaufen zu lassen – nur um irgendwie zu gewinnen.

Ich habe auch mal online gespielt: Gegen einen Russen. Verloren (was sonst). Gegen einen Spanier. Gewonnen. Gegen einen Vietnamesen. Auch gewonnen. Und gegen einen Ukrainer – wieder verloren. Eisenbeiser, der selbst weitgehend auf Online-Schach verzichtet und sich lieber herkömmlich in Bücher vertieft, glaubt aber, dass das Online- Schach das herkömmliche Spiel über die Jahre hinweg ablösen kann: „Es ist einfach bequemer. Man sitzt daheim und spart sich das Reisen.“

Wer sich bereits im Kreise der Fortgeschrittenen bewegt, dem sei Niclas Huschenbeth ans Herz gelegt. Der Bundesliga-Spieler und Großmeister ist vor allem auf „lichess“ unterwegs. Seine Erklärvideos sind hübsch gemacht, waren für mich aber inhaltlich „zu hoch“. Huschenbeth ist übrigens ein Kumpel zum Griechen Souleidis. Beide haben schon gemeinsam live gestreamt. Und ich sage euch: Das ist tausend Mal unterhaltsamer als irgendein Käse auf SAT 1 oder RTL 2. Apropos TV: Auf Netflix ist nun die siebenteilige Schach-Serie „Queens Gambit“ (Damengambit) zu sehen – zum „wegsuchten“, finde ich!

Und wer es mit dem Schach nicht so hat, sondern lieber „kartelt“, der sollte in langen Lockdown-Nächten einmal in die digitale Skatwelt abtauchen. Da bin ich über die ganzen Schachvideos nämlich auch gelandet. Mich hat vor allem Daniel Schäfer begeistert (bei „YouTube“ mal eingeben). Stundenlang habe ich dem Bundesliga-Spieler beim Skatspielen und Erklären zugeschaut. Da mag so mancher den Kopf schütteln – ich aber fand’s klasse. „Ich bin jeden Tag drin“, sagt auch Ricky Strebel, Vorsitzender des Skatclubs „Herz Bub“ in Walldürn. Momentan ist Spielen an Tischen verboten. Er schaut aber nicht Daniel Schäfer, sondern er „zockt“ selbst bei „Skatpalast“ – ohne Geld, versteht sich. So, und jetzt werde ich mal darauf achten, wer mir schon bald beim Online-Schach oder Online-Skat „über den Weg läuft“. . .

FN-Redakteur Michael Fürst verbringt das Mehr an Freizeit im „Lockdown“ viel mit Online-Schach. Das Angebot im Internet ist reichhaltig und für jede Spielstärke. BILD: SOWA

 

Ricky Strebel: „Der Skat leidet“

Von einem „gewaltigen Nachwuchsproblem“ spricht Ricky Strebel, der Vorsitzende des Skatclubs „Herz Bube“ in Walldürn. Der Verein verzichtet derzeit aber auch auf Werbemaßnahmen, weil man wegen Corona nicht am Tisch spielen darf – so wie man das gewohnt ist. „Der Skat leidet“, sagt Strebel und macht darauf aufmerksam, dass die Spielabende „seines“ Vereins nun auch nicht mehr stattfinden dürfen. 22, 23 Mann reizten, stachen und schmierten da sonst mit Begeisterung. „Man hat schon nach dem ersten Lockdown gemerkt, dass es weniger wurden“, so der Vereinsvorsitzende, der aktuell fast täglich online spielt. mf

 

Für einige Vereine existenzbedrohend

Der „reelle“ Schach-Spielbetrieb in Deutschland ruht derzeit. Im Grunde ruht er seit März, weil seit dieser Zeit kaum Verbandsspiele ausgetragen wurden oder Turniere veranstaltet werden konnten. „Dies lag oft auch an der Umsetzung der geforderten Hygienekonzepte“, erklärt Karlheinz Eisenbeiser, Vorsitzender des Schachclubs Burghardt-Gymnasium Buchen. Dieser Verein trägt seine Oberliga-Heimspiele gewöhnlich im Eiermann-Saal im Hotel „Prinz Carl“ in Buchen aus. „Aber hier war das Hygienekonzept aufgrund der Beengtheit nicht umsetzbar“, erzählt Eisenbeiser.

Reelles Turnierschach ist in Corona- Zeiten auch nur sehr schwer vorstellbar: Zwei Personen sitzen sich in einem Abstand von unter Umständen weniger als einem Meter stundenlang gegenüber... Derzeit trainieren die BGB-Spieler eben auch online.

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr war es im Sommer wieder möglich, den traditionellen Schachstammtisch im Café „Waldeck“ zu veranstalten. „Doch auch da kamen weniger Leute als sonst“, erinnert sich „Schach-Feuilletonist“ Karlheinz Eisenbeiser. Er sieht die Krise für einige Vereine als existenzbedrohend an, auch weil die Schulschach- AGs in Buchen, Adelsheim und Hardheim nicht mehr in der sonst gewohnten Regelmäßigkeit stattfinden konnten und damit der nötige Nachwuchs verloren geht. mf

„LOCKER IM LOCKDOWN“

Und wieder Lockdown! Nach März und April müssen die Deutschen Corona-bedingt nun auch im November mit teils massiven Einschränkungen ihres Privatlebens zurecht kommen. Doch bei all dem Missmut, der darüber vielerorts herrscht, stecken wir den Kopf nicht in den Sand. Die FN-Redaktion Buchen macht es sich in der kleinen Serie „Locker im Lockdown“ zur Aufgabe, den Lesern Ideen zur Gestaltung der Freizeit daheim zu geben – und das in vielerlei Hinsicht . Dabei kommen „Experten“ zu Wort, doch es fließen auch jede Menge eigener Erfahrungen der Redakteure in die Texte mit ein. Viel Spaß beim Lesen!

 

Hier kann man online lernen

SCHACH

„The big greek“ – „YouTube“-Kanal von Georgios Souleidis. Er streamt auch live. www.chess24.de. Erklärvideos mit vielen Livestreams. – www.lichess.org. Hier kann man auch selbst Turniere organisieren.

SKAT

www.skat-palast.de. – www.skatinsel. de. – Der Bundesliga-Spieler Daniel Schäfer hat auf „YouTube“ viele Erklärvideos gestreamt. Er spielt auch live und erklärt seine Spielweise.

mf   (Quelle Fränkische Nachrichten vom 04. November 2020)